Die Stadt Rheinbach zwei Jahre nach der Unwetterkatastrophe vom 14. Juli 2021

Zwei Jahre nach der größten Katastrophe der Rheinbacher Nachkriegsgeschichte steht Rheinbach mitten in den Wiederaufbaumaßnahmen.

  • Fortschritte beim Wiederaufbau
  • Erste Maßnahmen zum Hochwasser- und Starkregenschutz
  • Verbesserter Bevölkerungsschutz und Krisenresilienz

Dass es hierzu eines langen Atems bedarf, hatte Bürgermeister Ludger Banken bereits unmittelbar nach dem Ereignis erklärt. Bis heute wurden von der Stadt Rheinbach fast 10 Mio. Euro verausgabt. Die bislang größte Aufwands-Einzelposition liegt bei den immensen Abfallkosten in Höhe von 4,2 Mio. Euro. Für die Gebäudesanierungen wurden 1,7 Mio. Euro, die Instandsetzung von Straßen 1,4 Mio. Euro und für die Gewässerunterhaltung 0,6 Mio. Euro fällig.

Fortschritte beim Wiederaufbau

Der Wiederaufbau ist ein Prozess von mehreren Jahren und schreitet stetig voran. An manchen Stellen gestalten sich die Sanierungsmaßnahmen aufwändig und schwierig, weil diese im laufenden Betrieb umgesetzt werden müssen.

Von den 93 Einzelmaßnahmen im Wiederaufbauplan, der Grundlage für die Förderung aus der Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Landes Nordrhein-Westfalen zur Beseitigung von Schäden an öffentlicher und privater Infrastruktur sowie zum Wiederaufbau anlässlich der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 (Förderrichtlinie Wiederaufbau Nordrhein-Westfalen) ist, sind mittlerweile immerhin 42 abgeschlossen. 12 weitere stehen kurz davor.

Die ersten Gelder aus dem Fördertopf der kommunalen Wiederaufbauhilfe sind bei der Stadt Rheinbach eingegangen. Die in diesem Zusammenhang unerlässliche Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung ist sehr gut.

Die Gesamtkosten der städtischen Wiederaufbau-Maßnahmen sind abschließend noch immer nicht zu beziffern, da viele Einzelmaßnahmen noch nicht abgeschlossen sind und kostenintensive Projekte noch nicht begonnen wurden. Überdies erschweren der Anstieg der Kosten für Baumaterial und die anhaltend hohe Inflation eine verlässliche Kalkulation.

Bei der Infrastruktur sind die Maßnahmen an Straßen und Gehwegen, der Straßenbeleuchtung sowie die Bestandsaufnahme, Spülung und Räumung von Brücken und Durchlässen abgeschlossen. An zahlreichen Brücken und Durchlässen sind Sanierungsmaßnahmen, teilweise ein Neubau erforderlich, wie bspw. die Brücke über den Gräbbach an der Neugartenstraße/Ecke Stadtpark. An der Straße „Gräbbachweg“ wurde eine umfangreiche provisorische Böschungssicherung mit sogenannten Spundwänden durchgeführt.

Die Turnhalle in Flerzheim konnte nicht erhalten werden und wurde im Frühjahr 2023 abgerissen. Das Feuerwehrgerätehaus wurde zwischenzeitlich vollständig saniert.

Alle Gebäudeteile der Grundschule Flerzheim sind aufgrund der Hochwasserschäden als abgängig zu betrachten. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Stadt Rheinbach in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zum Erhalt bzw. Neubau. Deshalb hat der Haupt- und Finanzausschuss am 15.05.2023 den Neubau der Schule auf einem Grundstück am Fließweg beschlossen.

Der derzeitige Zustand schließt einen ordentlichen Schulbetrieb in den zur Verfügung stehenden Räumen aus. Die Stadt Rheinbach wird daher eine Containeranlage mit Klassenräumen auf dem Grundstück der abgerissenen Turnhalle errichten. Diese wird zum Schuljahr 2024/25 in Betrieb genommen und für fünf Jahre als Interimslösung dienen. Die Gesamtkosten für die Containeranlage, den Abriss und den Neubau werden auf mindestens 22,8 Mio. Euro geschätzt. Die Stadt Rheinbach wird am 14.08.2023 zu den aktuellen Erkenntnissen der Machbarkeitsstudie eine Bürgerversammlung in Flerzheim durchführen.

In der Katholischen Grundschule Sankt Martin wurde das völlig überflutete Kellergeschoss saniert. Bis Herbst 2023 wird zur vorübergehenden Unterbringung der Mensa an der historischen Mauer in der Straße „Bungert“ ein Container-Gebäude errichtet. Eine Machbarkeitsstudie für das Gesamtensemble wird aktuell noch überarbeitet.

Im Rathaus war das gesamte Kellergeschoss überflutet. Die Heizungsanlage wurde bereits erneuert. Die gerade begonnenen Sanierungsarbeiten werden sich voraussichtlich bis in das kommende Jahr erstrecken. Es ist mit Kosten in Höhe von mindestens 3 Mio. Euro zu rechnen.

Am Feuerwehrgerätehaus in Oberdrees wird der zweite Bauabschnitt (Umkleiden, Küche, Sozialraum und Heizungsraum) im September fertig. In Oberdrees wurde außerdem mit der Instandsetzung des Kellers im städtischen Gebäude in der Schulstraße begonnen. Dort soll zum Ende des Jahres der Jugendtreff wieder seinen Betrieb aufnehmen können. Das Erd- und Obergeschoss der alten Schule dient der Unterbringung des Katholischen Kindergartens St. Aegidius.

Im Gebäude der Volkshochschule in der Koblenzer Straße wurde der Wasserschaden in Kellergeschoss behoben und die Heizungsanlage erneuert. Auch in der städtischen Unterkunft „Am Getreidespeicher“ wurden die Schäden beseitigt. In der Tageseinrichtung für Kinder der Stadt Rheinbach "Stadtpark", im Gebäude der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule, ist der Keller nach notwendigen Rückbauarbeiten im Rohbau. Die Elektroanlage und Heizung wurden komplett erneuert.

Das RTV-Heim und das Clubhaus des Tennisvereins werden in diesen Wochen abgerissen. An beiden Stellen wird der Stadtpark anschließend renaturiert. In die Renaturierungsmaßnahme wird auch die Fläche des ehemaligen Waldschwimmbades einbezogen.

Erste Maßnahmen zum Hochwasser- und Starkregenschutz

Der Starkregen- und der Hochwasserschutz sind wichtige Arbeitsfelder für die Stadt Rheinbach. Die Unwetterkatastrophe vom 14. Juli 2021 wurde durch ein überregionales, auch in seiner Intensität nur schwer vorhersehbares Starkregenereignis verursacht. Zur besseren Vorsorge gegen künftige Starkregenereignisse bedarf es einer Analyse der Wirkungen von Starkregen auf Flächen und Gewässer, die zu Hochwasser führen.

Durch die Bezirksregierung Köln wurden die Überschwemmungsgebiete der Swist und des Eulenbaches festgesetzt. Diese, aber auch die Überflutungsbereiche der kleineren Gewässer im Stadtgebiet Rheinbach, werden derzeit im Auftrag der Bezirksregierung Köln neu ermittelt.

Die Kommunal Agentur NRW wurde von der Stadt Rheinbach beauftragt ein Starkregen- und Hochwasserschutzkonzept zu entwickeln. In diesem Zusammenhang werden auch Starkregengefahrenkarten erarbeitet. Für diese Karten werden für das gesamte Stadtgebiet digitale Abflussmodelle erstellt und Simulationen mit verschiedenen definierten Regenereignissen durchgeführt. Um die Ungenauigkeiten dieser rechnerischen Simulation möglichst gering zu halten, werden diese Modelle kalibriert. Auch die festgestellten Wasserstände des Starkregenereignisses am 14. Juli 2021 werden zur Modellkalibrierung genutzt.

Um möglichst viele Daten zu sammeln, waren auch die Bürger*Innen aufgerufen, ihre Erfahrungen über eine Onlinebeteiligung mitzuteilen. Insgesamt wurden rund 750 Einträge in einer Web-App vorgenommen. Die Eintragungen tragen zur Plausibilisierung der Überflutungs- bzw. Modellberechnungen bei und unterstützen die Erarbeitung konkreter Maßnahmen in Bezug auf

  • Beratung im Bereich Objektschutz sowie Informations- und Verhaltensvorsorge
  • Gewässerunterhaltung und Durchlasskontrolle
  • Identifikation von Retentionsflächen und baulichen Maßnahmen für einen verbesserten Überflutungsschutz

Das Starkregen- und Hochwasserschutzkonzept wird auf Grundlage aller Analysen und Datensammlungen ausgearbeitet.

Die Stadt Rheinbach kooperiert beim interkommunalen Hochwasserschutz mit dreizehn weiteren Kommunen, vier Kreisen im Einzugsgebiet der oberen und mittleren Erft gemeinsam mit dem Erftverband 

https://hws-kooperation.erftverband.de/

Unabhängig davon plant die Stadt Rheinbach mit eigenen einzelnen Maßnahmen die den Hochwasser- und Starkregenschutz zu verbessern.

So gelangten bei der Unwetterkatastrophe über den Rodderbach und zu einem großen Teil auch über die Kreuzung an der Umgehungsstraße (Landstraße 493) immense Wassermassen in das Wohngebiet Rodderfeld. In der Hirschmannstraße, zwischen der Kreuzung L 493 und der Abzweigung „Am alten Viehwege“, wurde im Juni 2023 die Straße zum Schutz vor einfließendem Wasser im Starkregenfall erhöht und für den Einsatz eines mobilen Hochwasserschutzes optimiert.

Für die Gewässerentwicklung und den Hochwasserschutz des Eulenbachs wurden 3,9 Mio. € für den Zeitraum von 2023-2026 eingeplant.

In den nächsten Haushalten werden zudem Mittel für die Maßnahmen zum Starkregenschutz vorgesehen.

Verbesserter Bevölkerungsschutz und Krisenresilienz

Auf Grundlage der Erfahrungen aus dem Unwetter hat die Stadt Rheinbach viele Weiterentwicklungen im Bereich Bevölkerungsschutz und Krisenresilienz angestoßen und umgesetzt:

  • Die Kommunikationsinfrastruktur wurde krisen- und ausfallsicher aufgestellt.
  • Der Brandschutzbedarfsplan wurde aktualisiert (Ratsbeschluss vom 29.08.2022) und die Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehr angepasst.
  • Die Notstromversorgung wesentlicher städtischer Infrastruktur wurde sichergestellt.
  • Die Krisenmanagementstrukturen wurden verbessert und das Personal zur Vorbereitung auf entsprechende Lagen professionell geschult.

Die Katastrophenschutz-Leuchttürme der Stadt Rheinbach wurden vorgeplant und werden bei Ereignissen, die weitreichende Auswirkungen auf das alltägliche Leben haben, durch Personal der Feuerwehr Rheinbach und Beschäftigte der Stadtverwaltung Rheinbach besetzt.

Die Stadt Rheinbach hat zusammen mit dem Ingenieurbüro AntwortING ein Resilienzkonzept entwickelt, um die Selbsthilfefähigkeit für die Kernstadt und alle Ortschaften zu unterstützen. Dies wurde in Form eines Beteiligungsprozesses mit mehreren Workshops realisiert. Sukzessive werden im Stadtgebiet Rheinbach sogenannte Selbsthilfezentren eingerichtet. Diese werden aktiviert, wenn durch ein besonderes Schadensereignis die zivile Infrastruktur beeinträchtigt wird bzw. ausfällt, oder das alltägliche Leben in andere Weise besonders beeinträchtigt ist. Selbsthilfezentren werden den Bürger*innen die Möglichkeit und den Raum geben, sich eigenständig, nach dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe, zu unterstützen und Maßnahmen, die nicht in die unmittelbare Zuständigkeit der Gefahrenabwehr fallen, selbstständig zu koordinieren.

Exemplarisch wird am 14.09.2023 in der Stadthalle die Ausstattung und Funktion eines Selbsthilfezentrums der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im Herbst 2023 ist zudem eine Übung unter Einbindung von interessierten Bürger*innen geplant.