Wer über Dresden durch die Sächsische Schweiz mit ihren herrlichen Sandsteinfelsen in Richtung tschechische Grenze über Bad Schandau nach Schmilka kommt, dem eröffnet sich eine Landschaft, in der östlich von Děčín (Tetschen) und Česká Kamenice (Böhmisch-Kamnitz) nach etwa 40 Kilometern die Partnerstadt Kamenický Šenov (Steinschönau) in wunderschöner Umgebung von Bergen und Erhebungen liegt, an der Grenze zwischen dem Lausitzer Gebirge und dem Böhmischen Mittelgebirge.

Die Stadt Kamenický Šenov mit ca. 4000 Einwohnern entstand wahrscheinlich im 13. Jahrhundert als zweireihiges Waldhufendorf und wurde erstmals urkundlich im Jahre 1352 mit eigener Pfarrei erwähnt. Kamenický Šenov erstreckt sich von 370 m. NN (Niedersteinschönau) bis über 600 m. NN beim Ortsteil Práchen (Parchen).

Bemerkenswert sind die Kirche im barocken Stil mit der Kanzel und dem prachtvollen Glaslüster sowie das Glasmuseum, das frühere Lobmeyr- oder Vogel-Haus.

Durch die Förderung der Herrschaften von Böhmisch-Kamnitz und Bürgstein wurde bereits im 17./18. Jahrhundert Glas in alle Welt exportiert. 1856 wurde in Steinschönau die erste Schule für Fachzeichnen, die spätere Glasfachschule gegründet, die Älteste ihrer Art in der Welt. Die Schule, in der Herstellung, Bearbeitung und Veredelung von Glas gelehrt wird, besitzt einen hervorragenden Ruf und mit dem Schwerpunkt „Glas und Licht“ ein Alleinstellungsmerkmal. Internationale Symposien, die gegenwärtig alle drei Jahre stattfinden, rücken Steinschönau wieder in den Mittelpunkt der professionellen Glasmacherkunst.

Der Herrenhausfelsen (Panská Skala) stellt eine geologische Berühmtheit mit seinen meist sechseckigen Basaltsäulen dar. Der Felsen steht seit 1914 unter Naturschutz und ist inzwischen eine Touristenattraktion.

Nach der Vertreibung deutscher Glasbearbeiter und Glasveredler sowie deutscher Glasfachlehrer am Ende des 2.Weltkriegs aus dem damaligen Steinschönau fanden viele der Vertriebenen in Rheinbach eine neue Heimat und waren 1948 beteiligt an der Gründung der staatlich anerkannte Glasfachschule Rheinbach.

Dieser geschichtliche Hintergrund sowie das unermüdliche Bemühen Helfried Glössners, Sohn eines aus Steinschönau vertriebenen Glasfachschullehrers, die Beziehungen zur alten Heimat wiederherzustellen, führten 1996 zur Partnerschaft zwischen den Glasfachschulen beider Städte und am 28.06.2002 im Rahmen der 650Jahr-Feier der Stadt Kamenický Šenov zur Unterzeichnung der Städtepartnerschaft.

Seit dem über 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft sorgen gemeinsam mit den Vertretern beider Städte, den Leitern der Glasfachschulen und der Glasmuseen der von Helfried Glössner im Jahre 2001 gegründete Förderverein und auf tschechischer Seite seit 2003 der Verein “Freunde von Rheinbach“ für die Durchführung kultureller Veranstaltungen und für einen stetigen Austausch von Bürgern beider Städte. Hier seien einige der wichtigsten Veranstaltungen genannt:

• 998 die Ausstellung “ Ein Stamm-Zwei Äste“ im Rheinbacher Glasmuseum anlässlich des 50jährigen Bestehens der Rheinbacher Glasfachschule – der Titel dieser Ausstellung will an die gemeinsamen Wurzeln beider Schulen erinnern.
• Der seit 2002 von der Stadt Rheinbach durchgeführte Internationale Glaskunstpreis.
• Internationale Glassymposien in Kamenický Šenov mit Beteiligung von Lehrern der Glasfachschule in Rheinbach.
• 2004 tschechische Kulturwoche in Rheinbach anlässlich der Aufnahme Tschechiens in die EU.
• 2006 die Radtour einer 8-köpfigen Gruppe Rheinbacher mit Bürgermeister Stefan Raetz in die Partnerstadt; von der tschechischen Grenze bis in die 40km entfernte Partnerstadt wurden die Radfahrer von tschechischen Freunden begleitet.
• 2009 ein Chorfestival in Rheinbach, an dem sich Chöre aller vier Partnerstädte beteiligten.
• 2011 die gemeinsame Teilnahme am Rheinbacher Karnevalszug führte zu einer Wiederbelebung des Karnevals in Kamenický Šenov.
• 2014/15 Rheinbacher lernen die Landschaft kennen, die den tschechischen Romantiker Macha zu seinen Werken inspirierte; im darauffolgenden Jahr lernen bei einer Schiffstour von Koblenz nach Bacharach die Tschechen die Landschaft kennen, aus der deutsche Romantiker den Stoff für ihre Werke bezogen - die sogenannte “Rheinromantik“.
• Seit 2015 unterstützt der Verein und viele seiner Mitglieder die Restaurierungsarbeiten auf dem Alten Friedhof von Steinschönau. Organisiert von Verein SONOW und professionell durchgeführt von Mag. Eva Mičková vom Prager Nationalmuseum werden pro Jahr 1 – 4 Grabmale, die z.T. kunsthistorischen Wert besitzen, erneuert.
• 2016 Eine Gruppe Jugendlicher der KJI Merzbach beteiligten sich aktiv an den Restaurierungsarbeiten auf dem historischen Alten Friedhof von Steinschönau.
• 2017 Besuch der tschechischen Gäste der Römervilla in Bad Neuenahr und in Aachen. Jugendliche mit Kanutour auf der Lahn.
• 2018 Rheinbacher in Prag (Kloster Strahov, Hradschin, jüdischer Friedhof u.a.) und Kamenický Šenov sowie beim böhmisch-sächsischen Musikfestival in Děčín und Česká Kamenice.
• 2019 Bürgerbesuch aus der Partnerstadt, Besuch in Kommern und dem Kloster Steinfeld, Teilnahme an der Verleihung des 10. Internationalen Glaskunstpreises – Nachwuchsförderpreis – der Stadt Rheinbach. Treffen jugendlicher Tischtennisspieler mit der Tura Oberdrees.
• 2021 der wegen Corona verschobene Besuch in der Partnerstadt wird nachgeholt, mit Besichtigung der restaurierten Glasfachschule, des Alten Friedhofs, von Kindersanatorium, Kreuzweg und Brauerei in Cvikov sowie Ort und Burg Oybin.
• 2022 Tschechische und deutsche Jugendliche radelten rund um Rheinbach, besuchten einen Klettergarten und absolvierten das Sportabzeichen des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die Erwachsenen besuchten Maria Laach und Mendig sowie Düsseldorf. Zum 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft schloss ein Festakt der Stadt Rheinbach unter der Schirmherrschaft der tschechischen Generalkonsulin den Besuch ab. Tschechische Kulturtage in Rheinbach.
• 2023 Rheinbacher besuchten Jablonec (Gablonz) mit dem Bijouterie-Museum und die Perlen-Produktion der Fa. Preciosa, das Schloss Sychrov und das Museum für Halbedelsteine in Turnov, die Eröffnung der Ausstellung zu „200 Jahre Fa. Lobmeyr“ mit anschließender Gartenparty sowie am Samstag das  „Lustrfest“ in Erinnerung an die in dieser Region entwickelten berühmten böhmischen Kristall-Kronleuchter („Lüster“). Am abschließenden Festabend nahmen auch Bürger aus der Ukraine teil.

Der Rheinbacher Partnerschaftsverein war auf Empfehlung des Deutsch- Tschechischen Zukunftsfonds zum Bürgerfest des Bundespräsidenten nach Berlin eingeladen, um sich und seine Projekte zu präsentieren.

Seit Bestehen der Städtepartnerschaft unterstützten bis 2019 unter der Leitung der KJI Merzbach Rheinbacher Bürger durch ihre Kleiderspenden bei der Kinderkleiderbörse eine soziale Organisation der Partnerstadt, die ebenfalls auf einer Börse die gespendeten Kleider weiterverkaufte und den Erlös für Veranstaltungen mit Kindern sozial schwacher Familien und mit Behinderungen verwendete. Da sich in der Partnerstadt nicht mehr genug Helferinnen und Helfer beteiligen gehört diese Aktion leider der Vergangenheit an.

All diese Begegnungen und Veranstaltungen haben aus einer formellen eine lebendig gestaltete Partnerschaft werden lassen, mit vielen festen Freundschaften zwischen Bürgern beider Städte.

Nun liest sich das alles wie eine Erfolgsgeschichte. Doch damit diese Geschichte in Zukunft eine ebenso erfolgreiche Fortsetzung erfährt, braucht es gerade auf Rheinbacher Seite mehr und vor allem junge Menschen, die Neugier und Interesse an der Kultur und den Bräuchen der Menschen unserer Nachbarländer haben und denen es darum geht, zwischen all den Unterschieden das Gemeinsame und Verbindende zu erfahren und zu erleben. All diejenigen, die sich für die Arbeit des Fördervereins interessieren oder sie mitgestalten wollen, sind herzlich zu den Stammtischen jeden 2.Donnerstag um 19:00 Uhr an ungeraden Monaten ab Mai eingeladen.

Walter Erlenbach
Vorsitzender der “Freunde und Partner von Kamenický Šenov / Steinschönau und Umgebung e.V.